Zum Tod von Carsten
--- eine kleine Zeitreise durch das Leben eines Suchenden.
Im Sommer 1976 traf ich nach Antritt meines Zivildienstes in der Diakonie in
Bad Kreuznach auf einen bärtigen Menschen mit markanter Narbe über dem
linken Auge, der hier seine Krankenpflegeausbildung machte.
Unsere Zimmer im Wohnheim lagen sich gegenüber und es entwickelte sich
schnell eine Freundschaft, geprägt von gemeinsamen Interessen,-- er feilte
an der Musik, ich am Essen.
Ich erlebte einen Carsten Klug, der in seiner Freizeit oft verträumt aber
scheinbar besessen den perfekten Lauf auf der Gitarre sucht, inspiriert von
Qualey, Lämmerhirt und anderen.
Er zog mich mit in seinen Freundeskreis und wir erlebten eine facettenreiche
Zeit.
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Dr. Carsten Klug |
Nach einem Wanderurlaub 1977 mit Freunden in den Dolomiten, weckten meine
Erlebnisschilderungen Carstens Interesse an den Bergen.
Wir nahmen den Kontakt zur Sektion Nahegau des DAV auf und begannen in der
gemeinsamen Freizeit mit Besessenheit unsere körperliche Fitness zu
trainieren, auch animiert von alpinen Publikationen von Heckmair,
Diemberger, Karl und anderen.
Mit Manfred Hoffmann, der damals die Jugendarbeit der Sektion leitete, gab
es plötzlich für Carsten an einem Wochenende die Gelegenheit im Rotenfels zu
klettern.
Nach diesem Schlüsselerlebnis war Carsten förmlich außer Stande seiner
Faszination darüber Ausdruck zu verleihen.
Unsere Freizeit war von nun an fast ausschließlich vom Klettern bestimmt.
Sein Bewegungstalent und seine Passion steigerten stetig seine Leistung, in
raumgreifenden Bewegungen erarbeitete er ständig größere
Schwierigkeitsgrade, und für heikle Situationen gab es immer eine Lösung,
die er dann mit einem für ihn ganz typischen schelmigen Blick von der Seite,
quittierte.
Aber auch als Krankenpfleger suchte er mit sehr viel persönlichem Engagement
und Kompetenz die nahezu perfekte Zuwendung zu Patienten.
Über die Sektion Nahegau eröffnete sich ein neuer Freundeskreis und es
folgten viele gesellige Kletterwochenenden im Rotenfels, im Morgenbachtal,
in der Südpfalz und in den Kirner Dolomiten, sowie die Skifahrten in die
Alpen. Unvergesslich auch die Fahrten mit seinem Moped in die Südpfalz und
zum Rosengarten.
In der Folge hatte ich das große Glück mit ihm gemeinsam Touren zu
unternehmen u.a. in den Hohen Atlas nach Marokko, in die Bernina, das
Bergell und später ins Dauphine.
Seine Suche nach Familie und mein späterer Wegzug nach Paderborn reduzierten
die gemeinsamen Aktivitäten, dennoch blieben wir einander sehr verbunden.
In der Folgezeit suchte er mit neuen Seilpartnern mit großem Erfolg seine
Erfüllung in schwierigsten alpinen Klettertouren vor allem in den Dolomiten
und im Mt.Blanc Gebiet.
"Carsten in der Eiger Nordwand" |
Aber auch beruflich nahm er neue Herausforderungen an, studierte neben
seiner Tätigkeit als Krankenpfleger Zahnmedizin und etablierte sich
erfolgreich als Zahnarzt in Bad Kreuznach. Wegen seiner handwerklichen
Fähigkeiten bin ich gerne von Paderborn zu seiner Praxis gefahren. Zur
Nachbehandlung sind wir meistens in den Rotenfels gegangen.
Seit er sich mit seiner neuen Familie in Gutenberg niedergelassen hat, wo er
mit seiner Frau Anette, die selbst leidenschaftliche und erfolgreiche
Sportkletterin ist, 3 Kinder hat, konzentrierte er sich mehr auf das
Sportklettern und suchte, auch gemeinsam mit ihr, die Herausforderung in
neuen schwierigen Routen in vielen Regionen Europas und in Thailand, immer
wieder im Wechsel mit anspruchsvollen modernen alpinen Touren
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Er liebte das einfache Leben, die körperliche und mentale Auseinandersetzung
mit dem Fels, Statussymbole waren für ihn nicht von Bedeutung, es zählten
die persönlichen Werte.
Am 18.7. 2006 ist bei einer Klettertour durch die Rienzwand seine Suche zu
Ende.
Er ist leider viel zu früh am Ziel angekommen.
Für alle, die durch seine Hingebung persönliche- oder Glücksmomente beim
Klettern erleben durften,
---ist das Seil für immer gerissen.
Siegmar Borowicz
Paderborn, 22.7.06
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